Modernes Handwerk sucht Hände mit Köpfchen

Berechtigt selbstbewusst zeigt sich das Handwerk als die „Wirtschaftsmacht von nebenan“. Wir sprechen mit Thomas Jüttner, Kreishandwerksmeister für Jena und den Saale-Holzland-Kreis über das vollendete Jahr 2018 und erfragen einen Ausblick in das anstehende Jahr 2019.

 

Auf den Handwerker muss wieder gewartet werden. Öffentliche Ausschreibungen platzen aufgrund fehlender Angebote. Steht das Handwerk nun auf dem seit je her zitierten „Goldenen Boden“?

 

Thomas Jüttner: Wir Handwerker können mit unseren Geschäftsergebnissen 2018 zufrieden sein. Wir sind gefragt. Unsere Auftragsbücher weisen einen Auftragsvorlauf aus, mit dem es sich gut planen lässt. Wir konnten und können weiter in moderne Arbeitsmittel, Werkzeuge und gern auch mehr in Köpfe investieren. Das macht uns natürlich stolz auf unserer Hände Arbeit, die immer mehr auch Köpfchen verlangt. JEDOCH wissen wir auch um die Hintergründe dieser Entwicklung und der offenkundig länger werdenden und kritisierten Wartezeiten. Unserer unverzichtbaren Arbeit mit den Händen in ehrbaren Berufen als Geselle im Handwerk oder als Industriefacharbeiter fehlt es an öffentlicher Beachtung und der ihr zustehenden Wertschätzung. Neue Lehr- und Arbeitsstellen lassen sich wegen fehlender Bewerber nicht schaffen, ebenso wenig, wie zahlreiche freie Stellen in unseren Betrieben nicht mit entsprechend ausgebildeten Gesellen und auch Technikern und Meistern neu besetzt werden können. Dem gilt es, maßgeblich seitens des Ehrenamtes in den Vorständen der Handwerksinnungen hier vor Ort und seitens unserer Kreishandwerkerschaft Jena/Saale-Holzland-Kreis (KHS) auch im neuen Jahr 2019 hier vor Ort weiter entgegenzuwirken und „die Fahnen für unser Handwerk hoch zu halten“.

 

 

Lässt sich dies von Ihnen allein in Ihrer regional verankerten Struktur stemmen?

 

Thomas Jüttner: Wir sind nicht allein. Im Gegenteil, die Strukturen unserer Gemeinschaft der Meisterhandwerker reichen über Stadt und Landkreis hinaus. Die Innungen, als freiwillige Zusammenschlüsse der Meister des Fachhandwerks der Region arbeiten in Landesinnungsverbänden und auf Bundesebene als Fachverbände. So wie wir im erweiterten Vorstand der KHS mit Vertretern der Kommunalpolitik optimale Rahmenbedingungen regelmäßig absprechen und gemeinsam gestalten, geschieht dies auch auf Landes- und Bundesebene in den entsprechenden Strukturen. Eine enge Zusammenarbeit verbindet speziell uns zudem mit der Handwerkskammer für Ostthüringen. Unser aller Hauptaugenmerk liegt derzeit auf dem Fortbestand unserer Handwerksbetriebe, einerseits durch Gewinnung und Sicherung der Fachkräfte, aber wesentlich auch durch die Sicherung der Betriebsnachfolger, die sich der unternehmerischen Herausforderung und Verantwortung für Mitarbeiter und deren Familien stellen möchten. Bei letzterem wären weitreichender Abbau bürokratischer Hürden und Schaffung steuerlicher Anreize statt Abschreckung bei Geschäftsaufnahme und -übergabe wichtige Signale. Auf lange Sicht helfen effiziente Verwaltungsstrukturen, der Fortbestand der Berufsschulen vor Ort sowie eine Abkehr von der fast alleinigen und fälschlichen Wertschätzung akademischer Abschlüsse als Existenzgrundlage und Lebensperspektive in Elternhaus, Schule und Öffentlichkeit. Denn vielmehr ist es häufig das täglich Geschaffene, das Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung garantiert. Und hierfür bieten sich im Handwerk stets ideale Bedingungen.

 

Ein flammendes Plädoyer für das Handwerk. Aber wie kommt man zum Handwerk und mit ihm ins Gespräch?

 

Thomas Jüttner: Handwerk begleitet uns im Alltag häufiger, als meist gedacht. Kindern und Jugendlichen sollte immer wieder aufs Neue zur Erkenntnis verholfen werden, was sie selbst mit ihren Händen schaffen können. Einzig Bastelstunden in den Kitas, Werkunterricht in den Schulen, Praktika in unseren Betrieben vermitteln dies. Erste Adresse für alle Informationen rund ums Handwerk, von Ausbildung über Handwerkersuche bis Schiedsstelle und als Servicestelle für all unsere Handwerkskollegen ist unsere KHS mit Sitz im Jenaer „Haus des Handwerks“. Weiter bieten wir uns Schulen als Partner für Praxisunterricht an, so wie bereits beispielsweise mit der Jenaer LEONARDO-Schule praktiziert. Auf Berufeinfomärkten stehen unsere Lehrlinge den fast gleichaltrigen Jugendlichen in vorderster Reihe Rede und Antwort zu Betrieben und Ausbildungsfragen. Ein persönlicher Kontakt zu einem passenden Ausbildungsbetrieb stellen wir schnell und unbürokratisch über unser nach einem Jahr bereits bewährtes Projekt „Passgenaue Besetzung“ her.

 

Viele Wege führen zum Handwerk. Ebenso viele Wege ob hier vor Ort oder in die gesamte Welt stehen mit dem international hoch geachteten und anerkannten Gesellenbrief oder Meisterbrief offen.

 

Wir danken und wünschen ein erfolgreiches Jahr des Handwerks 2019!

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Veröffentlichung

Mo, 07. Januar 2019

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